Zwischen Wortergreifung und Sprachverlust. Szenen prekären Sprechens bei Jacques Rancière und Jean-François Lyotard

  • Termin: Mi., 29. Januar 2020, 19:00 Uhr
  • Leitung: Prof. Dr. Jürgen Manemann
  • Ort: fiph, Gerberstr. 26, Hannover
Vortrag Marvin Dreiwes MA

Jacques Rancière führt in seinem gleichnamigen Werk den Begriff des Unvernehmens in die politische Philosophie ein. Das Unvernehmen entsteht durch einen Konflikt, der auf die Bedingungen des Konflikts selbst zielt, also infrage stellt, wer überhaupt als sprachfähiges Subjekt gilt. Damit verbunden ist ein spezifisches Verständnis von Politik, das nicht bloß für deliberative Verfahren oder Akte der Repräsentation steht. Politik ereignet sich vielmehr, wenn die als stimmlos Geltenden einer Gesellschaft das Wort ergreifen. Das Erheben der eigenen Stimme wird so zum Schlüsselmoment politischer Subjektivierung.

Jean-François Lyotard hat in seinem Werk Der Widerstreit durchaus ähnliche prekäre Szenen beschrieben. Dabei geht es aber um Situationen, in denen erfahrenes Leid nur in Idiomen versprachlicht werden kann, die die entscheidende Qualität des Leids verdecken. Die Geschichte des eigenen Leids nicht versprachlichen zu können, weist dabei nicht nur auf diskursive Bedingungen und Grenzen, sondern lenkt den Blick auf die Bedeutsamkeit negativer Phänomene wie dem Schweigen.

Der Vortrag geht der Spannung zwischen diesen beiden Positionen nach und fragt, inwiefern eine politische Philosophie der Stimme nicht allein die Wortergreifung, sondern auch Motive des Sprachverlusts integrieren muss.

Marvin Dreiwes MA studierte Philosophie, Literatur und Kultursoziologie in Hildesheim und Montpellier und ist seit 2018 Mitarbeiter am fiph. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen Fragen der Sprach- und Sozialphilosophie sowie der politischen Philosophie. In seiner geplanten Dissertation beschäftigt er sich mit den ethischen und politischen Aporien advokatorischen Sprechens aus alteritäts-phänomenologischer Perspektive