Vorstand

Das fiph wird getragen von der Stiftung Forschungsinstitut für Philosophie Hannover, errichtet vom Bischof em. von Hildesheim, Dr. Josef Homeyer. Stifter ist der Bischof von Hildesheim, Bischof Dr. Heiner Wilmer SCJ.

Das Forschungsinstitut ist eine mit Schreiben des Niedersächsischen Kultusministeriums vom 20. September 1988 staatlich anerkannte, gemeinnützige Kirchliche Stiftung des öffentlichen Rechts. Die Stiftung Forschungsinstitut für Philosophie Hannover wird von einem Stiftungsvorstand geleitet, der vom Stifter ernannt wird, die Interessen des Stifters wahrnimmt und das Berufungs- sowie das Aufsichtsrecht gegenüber dem Forschungsinstitut ausübt.

Porträt Prof. Dr. Ulrich Hemel

Prof. Dr. Ulrich Hemel

Ulrich Hemel ist apl. Prof. für Religionspädagogik an der Kath.-Theol. Fakultät der Universität Regensburg, Vorsitzender der Geschäftsleitung "Strategie und Wert Beratungs- und Beteiligungs-GmbH“, Direktor des "Instituts für Sozialstrategie", Laichingen, Jena, Berlin sowie erster Vorsitzender des fiph-Vorstands.  

Mich hat es geprägt, als ältester von fünf Geschwistern schon sehr früh Verantwortung zu übernehmen. Ich wollte aber auch wissen, warum ich etwas tun sollte; und bald lernte ich  wahrzunehmen, an welchem Punkt des Fragens Erwachsene an eine Grenze kommen. In diesem Sinn habe ich mich immer für Grenzen und deren Überschreitung interessiert.

Die Schule fand ich leicht, und das Studium empfand ich als wunderbaren Freiraum dafür, jeden Tag neue Zusammenhänge entdecken zu dürfen. Schwer war es nur, die richtigen Schwerpunkte zu setzen. Ich wollte- über technische Zusammenhänge hinaus- den Sinn unserer Kultur, des eigenen Lebens, der eigenen Zeit erkennen, aber gleichzeitig ausreichend praktische Kenntnisse erwerben. So baute ich mein Studium und auch mein Leben auf vier Säulen auf: Philosophie, Theologie (mein Ziel war es, Kirche zu verändern), Sprachen und Wirtschaft.Das Ineinander dieser Bereiche, ihre Eigengesetzlichkeit und ihre oft unterschätzten Verbindungen haben mein Berufsleben geprägt. In den ersten Jahren arbeitete ich – neben dem Studium – als Übersetzer, Dolmetscher und Sprachlehrer – und habe bis heute meine Leidenschaft für Sprachen beibehalten. Nach dem Lizentiat in Wirtschafts- und Sozialwissenschaften promovierte ich in Katholischer Theologie und habilitierte mich mit einer Arbeit über „Ziele religiöser Erziehung“ im Fach Religionspädagogik. Wichtig war es mir, eine Theorie über den Sinn religiöser Erziehung in Familien und an öffentlichen Schulen zu entwickeln, die den heutigen Herausforderungen Stand hält. Mit der Zielrichtung der „religiösen Kompetenz“ in verschiedenen Dimensionen der Persönlichkeit hat dieser Ansatz heute größere Resonanz gefunden. Froh war ich aber auch, eine klare Perspektive für religiöse Lernprozesse für und mit den eigenen Kindern Sabrina, Stefan und Daniel zu gewinnen.

Es drängte mich aber auch zur praktischen Erfahrung außerhalb der Universität. Zunächst gründete ich das erste eigene Unternehmen- die „EcclesiaData GmbH“, dann arbeitete ich als Unternehmensberater bei The Boston Consulting Group. Da ich größere Verantwortung übernehmen wollte, ging ich anschließend in ein großes Unternehmen der Medizintechnik, zur Paul Hartmann AG, wo ich als Vorstand und Vorstandsvorsitzender wirkte. Dabei konnte ich international arbeiten und lernte Menschen aus den unterschiedlichsten Kulturen kennen: ein Grundstein für mein heutiges Interesse an der globalen Zivilgesellschaft. Der Weg vom Berater und Manager zum Unternehmer schloss sich mit der Gründung meines eigenen Unternehmens. Hier geht es um „Gesunde Innovation“, d.h. um Dienstleistungen und Produkte rund um die Gesundheit.

Und die Philosophie? Seit 2000 darf ich als Vorstandsvorsitzender am FIPH mitwirken. Die Fragen der Zeit philosophisch zu  beleuchten und vielleicht auch zu  erhellen, das gehört zu den schönsten Aufgaben, die ich mir vorstellen kann. Gemeinsam mit dem FIPH und dem 2009 von mir begründeten „Institut für Sozialstrategie“ (Laichingen-Jena-Berlin), das nach der Gestaltung der globalen Zivilgesellschaft fragt, bin ich dankbar dafür, immer wieder interessante Fragen stellen zu dürfen, etwa im Blick auf eine neue Form der „Wirtschaftsanthropologie“, der „habituellen Unternehmensethik“ und alles, was sich um das wesentliche Thema dreht: „In welcher Gesellschaft wollen wir leben?“

Markus Kotzur

Prof. Dr. iur. Markus Kotzur LL.M.

Markus Kotzur ist Professor für Europa- und Völkerrecht an der Universität Hamburg, stellvertretender Direktor des Instituts für Internationale Angelegenheiten (InstIA) sowie geschäftsführender Direktor des Institute for European Integration, Hamburg.

Die Berufung in den Vorstand des Forschungsinstituts für Philosophie Hannover ist für mich eine außerordentliche Freude und Ehre. Obwohl Jurist, beschäftigen mich schon seit den Studienjahren in Freiburg, Bayreuth und an der Duke University in Durham, North Carolina (USA), vor allem aber seit meiner Promotion zu „Theorieelementen des internationalen Menschenrechtsrechtsschutzes“ im Jahre 2000 philosophische Grundsatzfragen. Im Mittelpunkt stehen dabei nicht nur die Debatten um die Letztbegründung der Menschenrechte von der Menschenwürde her – die Masterarbeit analysierte „Human Dignity as Normative Concept in Public International Law“ –, sondern auch die Konzeption eines menschheitsorientierten Völkerrechts in der Traditionslinie von Immanuel Kant bis John Rawls. Werden heute, inspiriert von der europäischen Verfassungsdebatte, Konstitutionalisierungsprozesse im Völkerrecht diskutiert und Möglichkeiten kosmopolitischer Demokratie bis hin zu einem „Menschenrecht auf demokratische Teilhabe“ ausgelotet, so legt wiederum Kants „weltbürgerliche Absicht“ ein unverzichtbares philosophisches Fundament. Dieses hat für meine Arbeiten zur Unionsbürgerschaft ebenso maßgebliche Bedeutung wie für weiterführende Überlegungen zu den (rechtlichen) Möglichkeiten eines Weltbürgertums („cosmopolitan citizenship“). Die Rechtswissenschaft bedarf nicht nur entwicklungsgeschichtlicher, sondern stets auch (rechts-)philosophischer Selbstvergewisserung, will sie mehr sein als normativ verengte Rechtsanwendungslehre.

Ethische Fragen tauchen deshalb immer wieder in ganz unterschiedlichen meiner Forschungsfelder auf, etwa zum Toleranzgebot und der Rolle der Religion im Völkerrecht. Je intensiver Religion auf ihre fundamentalistischen Erscheinungsformen reduziert und eher als Gefahr denn notwendige Substanz des freiheitlichen Verfassungsstaates gedeutet wird, umso notwendiger werden Korrekturen und Debatten zur Rolle der Religion im (welt-)öffentlichen Raum. Nicht minder, wenn man so will, „ethisch imprägniert“ sind meine Arbeiten zum völker- bzw. europarechtlichen Solidaritätsprinzip, zu Fragen sozialer Gerechtigkeit im Weltmaßstab, zum völkerrechtlichen Umgang mit den sogenannten „global commons“ respektive dem „cultural heritage of mankind“ oder zu den Werten der Europäischen Union. Methodisch haben mich bei alldem die interdisziplinäre Offenheit, der rechtsvergleichende und kulturwissenschaftliche Ansatz meines akademischen Lehrers Peter Häberle geprägt. Wer Recht als kulturelle Leistung begreift und seine normative Gestaltungskraft von den relevanten Kontexten abhängig sieht, muss notwendig über die eigene Disziplin hinaus denken. Deshalb freue ich mich besonders auf die transdisziplinäre Arbeit im Forschungsinstitut für Philosophie Hannover, das grundlagenorientiert die unterschiedlichsten Perspektiven auf philosophische Fragestellungen erlaubt, diskursive Offenheit will und die relevanten philosophischen Problemlösungskompetenzen vorhält. 

Porträt Prof Dr. Armin Nassehi

Prof. Dr. Armin Nassehi

Armin Nassehi ist Professor für Soziologie an der Universität München.

Meine Berufung in den Vorstand des Forschungsinstituts für Philosophie hat mich sehr gefreut. Ich bin kein Philosoph (obwohl ich auch Philosophie studiert habe), aber ich habe mich stets mit Themen beschäftigt, die auch Themen philosophischen Denkens sind. So etwa in meiner ersten akademischen Arbeit über die Bedingungen von Tod und Sterben in der modernen Gesellschaft, an die sich dann mehrere Forschungsprojekte angeschlossen haben. Das gilt auch für meine münsteraner Dissertation über „Die Zeit der Gesellschaft“, die eine intensive Auseinandersetzung mit der Philosophie von Zeit und Zeitlichkeit enthält. Und es gilt erst recht für die empirische Ethik-Forschung, die ich betreibe. Ich bin weniger an den guten Gründen für ethische Urteile oder moralische Standards interessiert, sondern als Soziologe daran, unter welchen Bedingungen ethische Konflikte auftreten, wie es zu Entscheidungen kommt und wie eine so komplexe Gesellschaft wie die unsere mit ethischem Pluralismus umgeht.

Überhaupt interessiere ich mich vor allem für Perspektivendifferenz, das heißt für die moderne Grunderfahrung, dass die Gesellschaft nicht aus einem Guss ist. Sie ist nicht nur in unterschiedliche Milieus und Lebensformen differenziert, sondern vor allem in unterschiedliche Funktionen wie Wirtschaft, Recht, Politik, Wissenschaft, Kunst, Erziehung, die je unterschiedliche Problemlösungskonzepte verfolgen, die sich bisweilen widerstreiten und die Gesellschaft nicht stillstehen lassen. Dazu gehört auch Religion als ein Bereich, der eine ganz spezifische Perspektive erzeugt und keineswegs Privatsache oder ein Personenmerkmal ist. Gerade die Frage der besonderen Potenz religiöser Rede hat mich in meinen Forschungsarbeiten stets sehr fasziniert.

Neben meiner akademischen Tätigkeit bin ich als Berater in unterschiedlichen Kontexten (Unternehmen, Verbände, Ministerien, Kirchen) engagiert.Ich freue mich auf die interdisziplinäre Arbeit im Forschungsinstitut für Philosophie, das ja seinerseits die Frage der Perspektivendifferenz und des Umgangs mit unterschiedlichen Problemlösungskompetenzen sehr ernst nimmt.

Prof. Dr. Birgit Recki by Arvid Mentz

Prof. Dr. Birgit Recki

Birgit Recki ist Professorin für Praktische Philosophie an der Universität Hamburg (Foto: Arvid Mentz).

Das Gute, das Schöne und die Kultur – in diesen Stichworten kann ich mein systematisches Interesse in der Philosophie charakterisieren: das Interesse an den Differenzen und Gemeinsamkeiten in den Geltungsansprüchen normativer Orientierung im Ganzen eines humanen Selbstverständnisses und Weltverhältnisses. Was dabei auf dem Spiel steht, ist der Umfang eines unverkürzten Vernunftbegriffs, in dem es in letzter Instanz um die menschliche Freiheit geht – um alle Dimensionen dieser Freiheit. Ich habe Philosophie und Soziologie in Münster studiert, bei Ingetrud Pape, Friedrich Kaulbach und Hans Blumenberg. Ich stehe unter dem Eindruck, dass wir Zwerge sind, die auf den Schultern von Riesen stehen, und begreife auch deshalb meinen Beitrag in der Philosophie unter dem Postulat der Einheit von historischem und systematischem Arbeiten. In meiner Habilitationsschrift über Kant („Ästhetik der Sitten“, Würzburg 2001) habe ich die für das moderne Bewusstsein epochale Form der Differenz und Affinität von Ästhetik und Ethik aufgesucht. Als mir in dieser Auseinandersetzung klar wurde, dass mein Verhältnis zu Kant lebenslang belastbar bleiben würde, habe ich mich den kreativen Neukantianern zugewendet und den selbständigsten unter ihnen in Ernst Cassirer entdeckt. Der Ruf nach Hamburg 1997 war ein Glück: Dort hatte ich die Chance, mit einer Edition der Werke Cassirers, welche die exilbedingt nicht zustande gekommene Ausgabe letzter Hand ersetzen soll (E.C.: Gesammelte Werke in 25 Bänden, 1998 - 2007) ein bis dahin ausstehendes Stück Wiedergutmachung zu leisten und mich dabei in einen dramatisch unterschätzten Systementwurf des 20. Jahrhunderts zu vertiefen. Ebenso wie an Kant kann man sich am Autor der Philosophie der symbolischen Formen klarmachen, dass – entgegen dem bis in die „Postmoderne“ wirkungsmächtigen romantischen Vorurteil – Aufklärung das Potential der kritischen Selbstreflexion von Vernunft in sich birgt. Im steten Dialog mit meinen beiden ‚Helden der Aufklärung‘ habe ich mich in den letzten Jahren der Theorie der Freiheit zugewendet und dabei zunehmend Anstoß an einigen Konventionen des zeitgenössischen Diskurses genommen. Die Dissoziation von Willensfreiheit und Handlungsfreiheit leuchtet mir im Interesse an der Überwindung des Cartesischen Dualismus ebenso wenig ein wie die kuriose Tatsache, dass die Auseinandersetzung mit der kulturellen Elementarform der Technik gegenwärtig aus dem philosophischen Freiheitsdiskurs ausgeblendet bleibt. Mein gegenwärtiges Forschungsprojekt gilt der Technik als Form der Freiheit. – Es dürfte weder ‚Systemzwang‘ noch Zufall sein, dass sich in der Ästhetik mein Interesse auf das (technische) Leitmedium des 20. Jahrhunderts fokussiert hat: Meine Bemühung um eine Theorie der ästhetischen Erfahrung konzentriert sich zunehmend auf eine Ästhetik des Films.

Porträt Jörg Wächter

PD Dr. Jörg-Dieter Wächter

Jörg-Dieter Wächter ist Privatdozent für allgemeine Erziehungswissenschaft an der Universität Hildesheim und Leiter der Hauptabteilung Bildung im Bischöflichen Generalvikariat Hildesheim.

Seit 2002 arbeite ich als Leiter der Hauptabteilung Bildung im Bischöflichen Generalvikariat Hildesheim. Dort bin ich u.a. verantwortlich für katholische Schulen und für den Religionsunterricht. Die religiöse Bildung, die hier sichergestellt wird, halte ich für ein Recht der Heranwachsenden. Neben meiner beruflichen Haupttätigkeit bin ich Privatdozent an der Stiftung Universität Hildesheim im Bereich Allgemeine Erziehungswissenschaft.

Ich bin sowohl Diplom-Theologe als auch Diplom-Pädagoge, habe mich biografisch aber auf den pädagogischen bzw. bildungstheoretischen Bereich konzentriert. Meine Beschäftigung mit der Bildungstheorie habe ich eigentlich immer als bildungsphilosophische Auseinandersetzung verstanden. Während das Theologiestudium mich an eine Weltsicht heranzuführen suchte, die der Wirklichkeit eine immanente Teleologie unterstellt und ihr einen entsprechenden Sinn ablauschen will, entwarf im Rahmen der Erziehungswissenschaft die Bildungstheorie eine Sicht auf die Welt als Ergebnis menschlichen Handelns. In meiner Dissertation setzte ich mich folglich kritisch mit Robert Spaemann und Hans Jonas auseinander. Die Habilitationsschrift orientierte sich dann stärker an einer Sicht des Menschen, der sich seine Zwecke selbst frei setzt, sie handelnd verantwortet und so selbsttätig an der Gestaltung der Welt partizipiert.

In meiner wissenschaftlichen und beruflichen Arbeit sind Themen wie Inklusion und Bildungsgerechtigkeit, religiöse Bildung, die humane Gestaltung der Schule und der Umgang mit Heterogenität unter pluralen Lebensbedingungen von Bedeutung. Letztlich hat mich die normative Frage nie ganz losgelassen: Wie ermöglicht man das freie Handeln von Menschen, wenn doch faktisch seine Freiheit vielfach gefährdet ist? Wie kann man Partizipation (pädagogisch: der Heranwachsenden, politisch: der Bürger) sichern und auf Dauer stellen? Wie löst man den Widerspruch von universalem Geltungsanspruch und individueller Partikularität auf? Und vor allem: wie lassen sich Fragen dieser Art beantworten, ohne mit der Antwort zugleich den Diskurs abzuschließen und eine affirmative Haltung einzufordern?

Ich hoffe, in der Vorstandsarbeit im Forschungsinstitut einen bildungstheoretischen Beitrag leisten zu können und überdies die Institutsarbeit mit anderen Handlungsfeldern des Bistums zu verbinden.

Die Arbeit des Forschungsinstitutes für Philosophie ist für mich ausgesprochen anregend und inspirierend. Ich halte sie für sehr wichtig, weil sie die vernünftige Meinungsbildung in Kirche und Gesellschaft unterstützt und argumentativ bereichert.

Prof. Dr. Barbara Zehnpfennig by Studio Weichselbaumer

Prof. Dr. Barbara Zehnpfennig

Barbara Zehnpfennig ist Professorin für Politische Theorie und Ideengeschichte an der Universität Passau. (Foto: Studio Weichselbaumer)

Erkenntnis und Glaube, beide oft als Gegensatz verstanden, scheinen doch nur zwei Wege zu demselben Ziel zu sein, wenn es denn in Philosophie und Religion um die Frage nach der letzten Ursache geht. Dabei handelt es sich nicht einmal um getrennte Wege. Denn was ist ein Glaube, der sein Ziel nicht zu erkennen trachtet? Und was ist eine Erkenntnis, die nicht vom Glauben an die Wahrheit getrieben ist? Beides zu verbinden – und gerade im Christentum lässt es sich meiner Meinung nach harmonisch verbinden –, schafft die Ganzheitlichkeit des Menschen, die es ihm ermöglicht, alle seine Kräfte sinnvoll zu entfalten.

Zu dieser Überzeugung bin ich im Lauf meines wissenschaftlichen Lebens gelangt, das zunächst ganz anders begonnen hatte. Als ich wusste, dass nur die Philosophie für mich in Frage kam, also in der Schulzeit, glaubte ich, die Wahrheit schon gefunden zu haben und sie nur noch philosophisch bestätigen zu müssen. Die Wahrheit war der Marxismus, und seine Faszination lag in dem Versprechen, die Welt aus einem Punkt zu erklären und der Menschheit endlich Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Universitär mit der Philosophie in Kontakt gekommen, und hier vor allem mit der sokratischen Dialektik, zerstob der Traum von den einfachen Antworten und den geschlossenen Welterklärungen. Das war Befreiung aus einem selbstgewählten intellektuellen Gefängnis und Sturz in das existentielle Nichts in einem. Mühsam war der Weg zurück ins „Etwas“, und die Philosophie, die zunächst alles zerstört hatte, war dann doch zugleich das Heilende. Denn nicht die Welt galt es zu verändern (welche Anmaßung! als wüsste man, was ihr fehlt!), sondern die eigene Einstellung zu sich und der Welt. Das Stück Welt, auf das man selbst Einfluss hat, ändert sich dadurch zugleich mit, aber immer in unmittelbarer eigener Verantwortung und nicht in sozialtechnologisch-konstruktivistischer Verantwortungslosigkeit.

Akademisch führte mich mein Weg von der Philosophie zur Politikwissenschaft, von einer Dissertation über Platon und Fichte zu einer Habilitationsschrift über Hitlers „Mein Kampf“. Letztere signalisiert, dass meine Auseinandersetzung mit ideologischem Denken nicht bei der Ideologie Halt machte, an die ich selbst geglaubt hatte, sondern dass mich alle unbegründeten Wahrheitsansprüche magisch anziehen, um deren Grundlosigkeit auszuloten. Das führt zurück zu der Frage, was denn tatsächlich Grund hat und Grund bietet. Die Antwort, die das Christentum, jene so geistige, jene so anspruchsvolle Religion bereithält, erschien mir immer plausibler, je länger ich mich mit dem tieferen Sinn der jesuanischen Botschaft auseinandersetzte. Die Verwandtschaft mit der platonischen Ursachensuche war unverkennbar, und so erschien und erscheint mir dies die entscheidende Lehre, die aus beiden zu ziehen ist: dass die Beanspruchung der Wahrheit den Weg zur Wahrheit am sichersten verschließt.

In den Vorstand des Forschungsinstituts für Philosophie Hannover berufen worden zu sein, ist für mich eine Ehre und Freude, und nach dem Geschilderten wird vielleicht auch erkennbar, wie glücklich sich das biographisch für mich fügt.