Intoleranz und Toleranz in der arabischen Philosophie der Moderne

  • Termin: Di., 10. Januar 2017, 17:00 Uhr
  • Leitung: Prof. Dr. Jürgen Manemann
  • Ort: fiph, Gerberstr. 26, Hannover
Fellow-Vortrag V: Dr. Sarhan Dhouib (Berlin)

In meinem Vortrag geht es zunächst um eine Analyse der beiden Begriffe Intoleranz (Taʿaṣṣub) und Toleranz (Tasāhul bzw. Tasāmuḥ) in ihrem philologischen und ideengeschichtlichen Kontext. Dabei stütze ich mich auf ausgewählte Texte von arabischen – christlichen wie muslimischen – Autoren aus dem 19. und 20. Jahrhundert.

Das arabische Wort Taʿaṣṣub ist nicht unbedingt eine Negation der Toleranz (In-toleranz), son­dern verfügt über seine eigene Semantik. Bei Ğamāl Addīn Al-Afġānī und Muḥammad ʿAbduh z.B. wird der Begriff nicht systematisch abwertend behandelt. Die beiden Autoren – sie gelten als große Reformisten des modernen Islam – plädieren sogar für eine Form von Intoleranz. Welche Rechtfertigungsstrategien jener Intoleranz sind vertretbar?

In einem zweiten Teil des Vortrags wende ich mich einigen Rechtfertigungsstrategien des Toleranzbegriffes bei arabischen Autoren wie Amīn Rīḥānī zu. Dabei ist es angebracht, zuerst zu prüfen, welches arabische Wort dem europäischen Worte tolérance/toleration und Toleranz entsprechen könnte. Das Wort Tasāhul, das von Adīb Isḥāq für die Übersetzung von tolérance vorgeschlagen wurde, prägt die Diskussion um Toleranz in der arabischen Moderne in der Wende zum 20. Jahrhundert. Das heutige verwendete Tasāmuḥ für die Übersetzung von Toleranz ist jedoch ein erst später entwickelter Terminus.

Im letzten Teil des Vortrags wird es darum gehen, einige normative Aspekte der Debatte um Intoleranz und Toleranz in der arabischen Moderne zu bearbeiten und einer inter- und transkulturellen Theorie zuzuführen.

 

Dr. Sarhan Dhouib arbeitet seit 2010 am Institut für Philosophie der Universität Kassel. Im Sommersemester 2016 nahm er die Gastdozentur Philosophie im Vergleich der Kulturen an der Universität Bremen wahr. Nach dem Studium der Philosophie an den Universitäten Sfax (Tunesien) und Paris 1-Sorbonne wurde er an der Universität Bremen über Schellings Identitätsphilosophie promoviert. 2011 erhielt er den Nachwuchspreis für Philosophie des Goethe-Institutes. Forschungsschwerpunkte: Schellings Philosophie, Politische Philosophie, Philosophie der Menschenrechte, klassische und moderne arabische Philosophie, Interkulturelle Philosophie.