In welchem Sinn sind diskursive Praktiken ethische Praktiken? Zur Aktualisierung des rhetorischen Ethos

  • Termin: Di., 12. Januar 2016, 17:00 Uhr
  • Leitung: Dr. Lars Leeten
  • Ort: Vortragsraum des fiph, Gerberstr. 26, Hannover
Vortrag von fiph-Fellow Dr. Lars Leeten (Oslo)

Wir legen gewöhnlich Wert darauf, dass sich Auseinandersetzungen über Moral, Ethik und Politik „kommunikativ“ vollziehen. Philosophische Ethik schließt daran an, wenn sie versucht, die angemessene Form solcher praktischen Diskurse näher zu bestimmen. Dabei versteht sie diese Aufgabe häufig als eine der logischen Systematisierung der lebensweltlich gegebenen Verständigung. In dieser Perspektive haben ethische Auseinandersetzungen im Idealfall den Charakter von Argumentationen.

Alternativ dazu wird in diesem Vortrag nach Möglichkeiten gefragt, praktische Diskurse ihrerseits als ethische Praxis zu begreifen. Die Verständigung über ethische, moralische oder politische Streitfragen hat selbst Handlungscharakter: Sie kann z.B. die Form der offenen Aussprache oder der nachtragenden Vorhaltung haben; sie kann geduldiges Gespräch sein oder scharfe Kontroverse; in ihr können sich Probleme klären oder aber Verletzungen fortsetzen. Unter dem Titel einer „Ethik diskursiver Praktiken“ sollen Ansatzpunkte einer philosophischen Reflexion dieser Praxisdimension herausgearbeitet werden. Eine Vermutung dabei ist, dass es dabei nicht so sehr auf logische Systematisierung, sondern mehr auf praktische Kultivierung ankommt. Damit wird ein Thema aufgegriffen, das aus der rhetorischen Kultur als „Ethos des Redners“ vertraut ist.

Dr. Lars Leeten war nach seiner Promotion in Berlin (2008) als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Philosophie der Universität Hildesheim tätig (2008–2014) und forscht derzeit an der Universität Oslo (2015–2016). Gastdozenturen und Forschungsaufenthalte führten ihn u.a. nach Belém, Brasilien, und nach Kaohsiung, Taiwan. Schwerpunkte seiner Arbeit sind die antike und moderne Ethik, das Verhältnis von Philosophie und Rhetorik sowie die philosophische Reflexion der sprachlichen Praxis.