Kaum jemand bestreitet, dass Toleranz für ein friedliches Zusammenleben in einer Welt zunehmender Pluralität unverzichtbar ist. Wir brauchen eine Kultur der Anerkennung über Differenzen hinweg. Doch bedeutet dies, dass beliebige Standpunkte toleriert werden müssen? Auch solche, die selbst der Intoleranz das Wort reden, die Rassismus und andere Formen von Diskriminierungen propagieren, die Menschenrechtsverletzungen bis hin zum Völkermord und zum Terrorismus rechtfertigen? Die Wissenschaftliche Preisfrage 2005 lautete: Wo hört die Toleranz auf?
Wo hört die Toleranz auf? Hg. und eingeleitet von Christian Starck. Mit Beiträgen von Ludger Jansen und Franz Domaschke, Preisschriften des Forschungsinstituts für Philosophie Hannover (Hg. von Ulrich Hemel und Gerhard Kruip im Auftrag des Forschungsinstituts für Philosophie Hannover), Bd. 3, 19,00 €, 130 S., brosch., ISBN: 978-3-8353-0060-6
Grundsätzlich scheint klar zu sein, dass auch die Toleranz ihre Grenze hat. Was kann die Philosophie zur Klärung der Frage beitragen, wo genau diese Grenze verlaufen soll? Wie kann sie bestimmt werden? Wer kann zu Recht den Anspruch erheben, sie zu definieren? Gibt es überhaupt eine Möglichkeit, diese Grenze auch demjenigen gegenüber zu rechtfertigen, dessen Standpunkt jenseits dieser Grenze liegt? Was schließlich bedeutet eine solche Grenze praktisch? Welche Formen der Konfliktaustragung und der Bekämpfung von Intoleranz sind moralisch noch tragbar, welche nicht?
Ludger Jansen sieht die Grenzen des Toleranzbegriffs vor allem bestimmt durch Klugheitsargumente und durch Gerechtigkeitsforderungen sowie aus Gründen, die sich aus den Wesen des Tolerierten und des Tolerierenden ergeben. Franz Domaschke macht deutlich, daß es mehr als einen begründungsfähigen Begriff von Toleranz geben kann. Vielmehr muss man von Varietäten von Toleranz zu sprechen, die auch Varietäten der Begründungen nach sich ziehen.