Welche historischen und systematischen Eckpunkte würden sich anbieten, um Übergänge und Verstrickungen von Potenz und Potentialität exemplarisch in den Blick zu nehmen? Welche Kulturtechniken spielen in den Konfigurationen der Macht eine besondere Rolle, wenn Potential zur Wirklichkeit gelangt und Subjekte informiert? Das vorliegende Buch antwortet auf diese Fragen mit exemplarischen Studien zur Genealogie des möglichen Menschen.
Schon beim frühesten Auftauchen des lateinischen Wortes »Potentialis« lässt sich eine entscheidende Ambiguität beobachten: Einerseits bezeichnet »Potential« etwas, das noch nicht aktuell ist, aber sein könnte, andererseits stellt »Potential« ein Merkmal der Macht und der Mächtigen dar. Diese Unschärfe und Doppelung ist nicht bloß ein sprachliches Merkmal, sondern hängt mit der Komplexität und gesellschaftlichen Reichweite symbolischer Praktiken zusammen. Im Kern geht es um die Materialität des menschlichen Potentials als eine Grundbedingung des Regierens.
In interdisziplinären Fallstudien zur Transformation von Subjekten und gouvernementalen Kulturtechniken rekonstruiert der Band die Genealogie der Regierung von Kollektiven und Individuen in Spätantike, Mittelalter und Neuzeit. Hierbei zeigt sich eine der Urszenen der Biopolitik schon in mittelalterlichen Klöstern als menschlichen Perfektionsmaschinen und nicht erst im quantifizierenden Licht der Aufklärung. Zudem betonen neuzeitliche Verflechtungen von Literatur und Kunst mit Recht und Ordnung die gouvernementale Qualität ebenso umfassender wie unscharfer symbolischer Setzungen, die auch in Zeiten funktionaler Differenzierung noch fortwirken. Über die Zeiten hinweg erweist sich die Administration von Menschengekoppelt an das Versprechen von Sicherheit.
Mit Beiträgen von Antonio Lucci, Thomas Skowronek, Gert Melville, Mirko Breitenstein, Maria Chiara Giorda, Romedio Schmitz-Esser, Oliver Bach, Thomas Vesting, Mateusz Kapustka, Anton Tantner, Inga Anderson, Myriam Naumann, Giovanni Leghissa, Martin Müller und Thomas Macho