Mensch - Bild - Menschenbild

»Menschenbilder« sind populärer denn je. Sie scheinen eine Schlüsselposition in ethischen Argumentationen einzunehmen. Doch was genau sind Menschenbilder – und wie erlangen sie eine Gültigkeit, die in moraltheoretischen Kontexten relevant ist?

Ian Kaplow (Hg.): Mensch – Bild – Menschenbild. Anthropologie und Ethik in Ost-West-Perspektive. Göttingen, 2009, 157 S., 19,90 €, ISBN 978-3-938-80855-9

In diesem Band wird das Phänomen von Menschenbildern über nationale wie disziplinäre Grenzen hinweg kritisch beleuchtet. Gleichzeitig geht es darum, die normative Bedeutung von Menschbildern zu untersuchen. Antworten auf Fragen, die für die Wertorientierung unentbehrlich sind, müssen ihre Quellen offenlegen, wenn – statt eines kompromisslosen Aufeinanderprallens von »Menschenbildern« – ein Dialog zwischen verschiedenen Personen, Gruppen und Kulturen möglich sein soll. Seit einigen Jahren wird in zahlreichen Bereichen des öffentlichen Lebens verstärkt über Menschenbilder debattiert. Für manche scheint ein expliziter Rekurs auf ein bestimmtes Menschenbild für die Bildung von Identität notwendig zu sein. Sie meinen, dass man sich nur dann als Deutscher oder Europäer, als Christ oder Muslim, als ethisch richtig handelnder Mensch oder als Mensch überhaupt verstehen kann, wenn man sich zugleich auf ein bestimmtes Menschenbild bezieht. Doch was heißt es überhaupt, sich an einem Menschenbild zu orientieren? Was heißt es, ein »gemeinsames Menschenbild « zu teilen? Wie weit können Menschenbilder sich unterscheiden, bevor es sich bei ihnen um zwei entgegengesetzte Ansichten über das Wesen der Menschen handelt? Kann mit Sicherheit gesagt werden, was »das« Menschenbild »der Europäer«, »der Christen« oder sonst einer Gruppe ist? Möglicherweise sind die Menschenbilder selbst innerhalb einer Gruppe, die sich darüber zu definieren glaubt, unterschiedlich. Die Verflechtung von Menschenbildern und Identität wird hier evident, denn im selben Maße, wie Unklarheit über ein bestimmtes Menschenbild herrscht, besteht Unklarheit darüber, wer genau »die« Türken, Europäer, Christen, Kommunisten usw. sind. Und so wird beispielsweise nicht zuletzt mit Bezug auf unterschiedliche Menschenbilder über die Frage gestritten, ob die Türkei in die Europäische Union aufgenommen werden soll oder nicht. Andere hingegen behaupten, man könne bzw. müsse Menschenbilder bei solchen praktischen Fragen außer Acht lassen: Im Zusammenhang mit Problemen (trans-) nationaler Identität, bei Fragen der Bioethik oder zum Beispiel der Abtreibung gehe es um (Menschen-)Rechte, nicht um Menschenbilder. Menschenrechte, so heißt es, gingen nicht auf Menschenbilder zurück, sondern vielmehr auf ethische Prinzipien, die ihre Allgemeingültigkeit gerade durch ihre Unabhängigkeit von kulturell geprägten und bedingten anthropologischen Annahmen gewinnen. Menschenbilder scheinen aber ausgerechnet ein wichtiger Bestandteil solcher kulturell geprägten, kontingenten Annahmen zu sein. Das vorliegende Buch versucht, sich diesen Problemfeldern aus transdisziplinärer Perspektive zu nähern. Relativ neue und weitreichende Phänomene wie die Gehirnforschung, künstliche Intelligenz, virtuelle Welten, genetische Optimierung, Nanotechnologie, weltweite Informationsvernetzung oder die Globalisierung der Weltwirtschaft haben eine immense Auswirkung auf das Selbstverständnis von heutigen Menschen. Weil Menschen aufgrund dieser Veränderungen sich anders verstehen und auch anders normativ einordnen müssen, sind Menschenbilder mehr denn je gefragt. Um diesen Wandel angemessen zu erfassen, wurden namhafte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit Schwerpunkten in der Anthropologie, Ästhetik, Theologie, Soziologie, Ökonomie und Philosophie gebeten, zu diesem Band beizutragen.

Mit Beiträgen von G. Hartung, T. Homa, C. Kalb, I. Kaplow, B. Liebsch, R. Preda, W. Szymczak und C. Thies.