Einander ausgesetzt - Der Andere und das Soziale

Im sozialen Leben sind wir einander ausgesetzt, aber vielleicht doch nicht rückhaltlos ausgeliefert. Diese Frage wird hier mit Blick auf eine Fülle elementarer sozialer Phänomene - vom Vertrauen über Schuld(en) bis hin zu Neuen Kriegen - bedacht.

Liebsch, Burkhard: Einander ausgesetzt. Der Andere und das Soziale. Bd. I: Umrisse einer historisierten Sozialphilosophie im Zeichen des Anderen / Bd. II: Elemente einer Topografie des Zusammenlebens, Freiburg i. Br., München: Karl Alber 2018. ISBN 978-3-495-49013-6

›Sozial‹ leben wir nur dank Anderer, in einer Normalität, die das weitgehend in Ver­gessenheit fallen lassen kann, so dass man sich fragt, ob man nicht auch ohne sie auskommen kann ‒ sei es in Formen weltflüchtigen Daseins, sei es in einem Wohlstand, der sie sich vom Leib hält. Alle Formen der Distanznahme setzen aber eine vorgängige Veranderung des eigenen Selbst voraus, die es Anderen aussetzt und auf sie angewiesen sein lässt. Dieses Ausgesetzt- und Angewiesensein zwingt dazu, die in ihm liegenden Her­aus­forderungen politisch anzu­nehmen ‒ auch um den Preis einer Gewaltsamkeit, die mensch­­liche Lebensformen und ihre viel gelobte ›Offen­heit‹ zu ruinieren droht. Das zweibändige Projekt Einander ausgesetzt entwirft in historischer Perspektive eine Theorie des Sozialen, die von einem starken Begriff unaufhebbarer Alterität ausgeht und diesen mit einer komplexen Topografie menschlicher Lebensformen verschränkt, die deutlich macht, wie man einander ausgesetzt ist ‒ von Geburt an und in Horizonten der Verletzbarkeit, die bis hin zu neuen Kriegen detailliert bedacht werden. So dient das Projekt der »Erfassung des Wirklichen« (Hegel), ohne das es ein kritisches »Ergründen des Vernünftigen« nicht geben kann. Es handelt sich um den Versuch zu zeigen, was Sozialphilosophie heute leisten kann und muss.