Demokratie und Emotion. Was ein demokratisches Wir von einem identitären Wir unterscheidet

Demokratie ist ein Versprechen: die Herrschaft des Volkes. Das Volk ist aber keine Einheit. Es setzt sich zusammen aus vielen Individuen. Wie kann sich angesichts der Verschiedenheit ein demokratisches Wir einstellen, das der Versuchung eines identitären Wir widersteht?

Jürgen Manemann: Demokratie und Emotion. Was ein demokratisches Wir von einem identitären Wir unterscheidet. Bielefeld: transcript (2019). ISBN: 978-3-8376-4979-6

Ein Wir ist immer emotional verfasst. Das identitäre Wir sieht in der pluralen Identität eine Gefahr. Identitätspolitisch zielt es entweder auf die Einhegung von Pluralität durch Assimilation oder auf die Bekämpfung von Pluralität durch Exklusion (Identitäre Bewegung). Seine emotionalen Kräfte sind Stolz und Zorn.

Das demokratische Wir ist plural. Es anerkennt die Verschiedenheit der Individuen und des Ganzen. Das demokratische Wir ist ein revolutionäres Wir. Es steht für eine leidempfindliche und differenzsensible Politik, die nicht bei der Wahrnehmung des eigenen Leids stehen bleibt, sondern empfänglich ist für das Leid Anderer.