Meisterkurs 2011 mit Bernhard Waldenfels

Der Meister: Bernhard Waldenfels, geb. 1934, ist Professor Emeritus für Philosophie an der Universität Bochum und lehrte als Gastprofessor in Debrecen, Hongkong, Louvain-la-Neuve, San José, New York, Prag, Rom, Rotterdam und Wien. Arbeitsschwerpunkte sind: Phänomenologie und neuere französische Philosophie sowie spezielle Themen wie Lebenswelt, Leiblichkeit, Fremdheit, Re­sponsivität, Bild, Phänomenotechnik, Ort und Raum.

Veröffentlichungen in Auswahl: Phänomenologie in Frankreich (1983); Ordnung im Zwielicht (1987); Der Stachel des Fremden (1990, ?1998); Antwortregister (1994); Deutsch-Französische Gedankengänge (1995); Topographie des Fremden (1997); Das leibliche Selbst (2000); Bruchlinien der Erfahrung (2002); Phänomenologie der Aufmerksamkeit (2004); Idiome des Denkens (2005); Grundmotive einer Phänomenologie des Fremden (2006); Schattenrisse der Moral (2006); Philosophisches Tagebuch (2008); Ortsverschiebungen, Zeitverschiebungen (2009); Sinne und Künste im Wechselspiel (2010).

Das Thema: Im Mittelpunkt des Kurses standen Fragen wie: Auf welche Weise und unter welchen Voraussetzungen begegnet uns das Fremde? Welche Ansprüche gehen von ihm aus? Wie verkörpert es sich? Diese Fragen wurden aus der Sicht einer responsiven Phänomenologie erörtert. Radikal Fremdes, das von allem relativ Unbekannten und Unverständlichen wohl zu unterscheiden ist, lässt sich weder aus Eigenem herleiten, noch in ein Ganzes integrieren. Autonomie des Subjekts und Universalanspruch der Vernunft stoßen an ihre Grenze, wenn sich etwas so zeigt, dass es sich unserem Zugriff entzieht. Die stetige Beunruhigung, die davon ausgeht, provoziert Aneignung und Abwehr. Die responsive Phänomenologie sucht indessen nach einer kreativen Form des Antwortens, die sich den überraschenden Ansprüchen des Fremden aussetzt. Dies betrifft Umbrüche im persönlichen Leben wie auch Erfindungen, Revolutionen und kulturelle Neuerungen. Dabei verteilt sich das Fremde auf verschiedene Dimensionen. Wir erfahren es am eigenen Leib, im Unbewussten, im Körpergeschehen. Es begegnet uns im Angesicht des Anderen, im fremden Blick und in der fremden Stimme. Als Außerordentliches begleitet es jede Ordnung wie ein Schatten. Es bildet ein Bezugs- und Konfliktfeld zwischen Geschlechtern, Sprachen und Kulturen. Fremde begegnen uns als Gast auf der Schwelle, als Feind vom anderen Ufer. Barbaren, Ungläubige und Wilde, Emigranten und Asylanten gehören zur Politik des Fremden. Fremdes, das Tag für Tag auftaucht, wenn uns etwas auffällt oder einfällt, gipfelt schließlich in der Aufmerksamkeit. Die Aufmerksamkeit, die wir schenken, berührt sich mit der Achtung, die wir anderen schulden. Hier entspringt eine responsive Form der Ethik, die jeder Ziel- und Normethik zuvorkommt.