Meisterkurs 2007 mit Richard Schaeffler

„Erfahrung ist eine Erkenntnisart, die Verstand erfordert“. Gewiss: Erst durch Verstandesbegriffe werden aus subjektiven Erlebnissen die Inhalte intersubjektiv gültiger Erfahrung. Aber gibt es nicht auch einen Verstandesgebrauch, der für Erfahrung blind macht? Von welcher Art ist jene Rationalität, die für Erfahrung öffnet? Was muss die Vernunft aus Erfahrung lernen?

„Es ist nur eine Erfahrung, ebenso wie nur ein Raum und eine Zeit ist“. Wirklich? Ist nur die wissenschaftliche Empirie „objektiv gültig“, während die Weisen, wie wir das moralisch Verpflichtende, das ästhetisch Begeisternde, das religiös Verehrungswürdige erfassen, nur Formen des subjektiven Erlebens sind? Oder gibt es mehrere Weisen der Erfahrung mit einer je eigenen Rationalität? Aber wenn die Rationalität nicht eine ist, wird dann nicht alles zu einer „Frage der gewählten Perspektive“?

Wie steht es mit der Rationalität der religiösen Erfahrung? Gibt es sie nicht, dann gibt es in der Religion nur subjektive Erlebnisse. Gibt es sie aber, dann unterscheidet sie sich offensichtlich von der Rationalität der Wissenschaft, der Moral oder der Kunst. Zeigt uns die religiöse Erfahrung, wie man der Pluralität von Rationalitäten Rechnung tragen kann, ohne einem kriterienlosen Perspektivismus zu verfallen?

Richard Schaeffler ist emeritierter Professor für Philosophisch-theologische Grenzfragen an der Ruhr-Universität Bochum und lehrt derzeit als Gastprofessor an der Hochschule für Philosophie München, wo er 2005 für seine wissenschaftlichen Verdienste in der Religionsphilosophie, der Wissenschaftstheorie und der Geschichtsphilosophie die Ehrendoktorwürde erhielt.

Richard Schaeffler verkörpert in besonderer Weise den Dialog zwischen Theologie und Philosophie, der seit einiger Zeit auf neues Interesse stößt. Durch zahlreiche Veröffentlichungen (Religionsphilosophie 1983, Glaubensreflexion und Wissenschaftslehre 1984, Das Gebet und das Argument – Zwei Weisen des Sprechens von Gott 1989, Erfahrung als Dialog mit der Wirklichkeit 1995, Philosophische Einübung in die Theologie 2004) leistet er wichtige und höchst aktuelle Beiträge zu einem Welt- und Selbstverständnis, das sowohl die Offenheit für religiöse und theologische Fragen fördert als auch zugleich höchsten Ansprüchen des Dialogs mit aktuellen Entwicklungen in den Wissenschaften und der Philosophie standhält.

Der Meisterkurs fand vom 12.-16. März 2007 im Kardinal Wendel Haus, München, statt. Im Rahmen des Philosophischen Meisterkurses gab es eine öffentliche Podiumsdiskussion zum Thema „Vernunft – eine Brücke im interreligiösen Dialog?“ mit Prof. Dr. Bénézet Bujo (Fribourg), Hamideh Mohagheghi (Hannover), Prof. Dr. Julian Nida-Rümelin (München) und Prof. Dr. Richard Schaeffler (Bochum/München).