PD Dr. Ekaterina Poljakova

Stipendiatin von Oktober 2005 bis April 2006

Geb. 1972 in Rostow-am-Don (UdSSR), Studium in den Fachbereichen „Slawische Philologie, Literaturwissenschaft, Sprachwissenschaft, Semiotik“ an der Philosophischen Fakultät der Universität Tartu (Estland). 1998 Promotion zum Doktor der Philologie mit der Dissertation „Poetik des Dramas und Ästhetik des Theaters im Roman (Der Idiot und Anna Karenina)“. 1998–2003 Dozentin am Institut für Philologie und Geschichte der Russischen Staatlichen Universität für Geisteswissenschaften (Moskau). Oktober 1999 bis Januar 2000 Stipendiatin des DAAD, Forschungsaufenthalt an der Universität Konstanz. Juni–Juli 2003 Stipendiatin der Stiftung Weimarer Klassik und Kunstsammlungen. 2003–2005 mehrere Forschungsaufenthalte am Institut für Philosophie der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald.

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Projekt

„Kritik einer Moral aus Vernunft in deutsch-russischen Reflexionen“

Im Fokus des Projekts steht die Auseinandersetzung des russischen und des westeuropäischen Denkens auf dem Gipfelpunkt des Umorientierens der europäischen Philosophie, in der Kritik einer Moral aus Vernunft. Das Ziel des Projekts ist, die Fremdheit Russlands für Westeuropa, die tief in das Denken hineinreicht, darzustellen und die Differenzen des Denkens als philosophisches Problem wissenschaftlich grundlegend zu erschließen. Diese Fragestellung muss die Verschiedenheit zweier philosophischen Perspektiven aufzeigen: der sokratisch-kantischen Philosophie einer Moral aus Vernunft, sowie ihrer Kritik bei Nietzsche einerseits, und der mystisch-religiösen Form des russischen Philosophierens andererseits. Diese Verschiedenheit hat von Seiten Westeuropas immer wieder zum Irrationalismus- und Obskurantismus-Verdacht gegenüber dem russischen Denken und von Seiten Russlands zum Immoralismus- und Dekadenz-Verdacht gegenüber dem „westlichen“ Denken geführt. Die eigenständige russische Philosophie, die sich selbst vorwiegend als religiöses Denken versteht, ist erst im Kampfe um die Überwindung der „Sackgasse“ der „westlich“-rationalen Philosophie und um die Emanzipation von ihren rein-theoretischen Fragestellungen entstanden. Sie strebte danach, die Moral- und Erkenntnisproblematik von einer ganz anderen Art der Fragestellung abzulösen: nach der Ermöglichung des Lebens, das erst als Versöhnen der religiösen, wissenschaftlichen und künstlerischen Erfahrungen verstanden und gerechtfertigt werden kann. Dieser Prozess der Suche nach der eigenen Identität ist einerseits durch die Kritik am Kantischen Aufklärungsbegriff gekennzeichnet und andererseits paradoxerweise stark vom Einfluss Nietzsches geprägt. Auch im „Westen“ werden die russischen Autoren gelesen und dabei als alternative und fremde Form des eigenen Denkens verstanden. Dadurch entsteht ein höchst produktiver Dialog zweier philosophischer Traditionen, der auch durch immer noch bestehende Missverständnisse hindurch neue Spielräume für beide eröffnet. Die Untersuchung der gegenseitig bereichernden intellektuellen deutsch-russischen „Gipfelgespräche“ muss die Gemeinschaft und die Unterschiedlichkeit zweier Denkweisen, zweier philosophischer Einstellungen aufzeigen und – in einer größeren Perspektive – zu produktiven Kontakten und zur Weiterentwicklung des Dialogs beider Kulturen beitragen.