Fellow von Oktober 2022
bis Juli 2023
Zur Person
In Marburg und Frankfurt habe ich Philosophie, Geschichte und Gender Studies studiert. Seit meiner Bachelor-Thesis beschäftige ich intensiv mit nationalsozialistischer Philosophie und ihrem Verhältnis zur modernen Moralphilosophie. Ich habe von 2015-2018 im Forschungsprojekt „NS-Moral“ am Fritz-Bauer-Institut (Frankfurt) mitgearbeitet. Forschungsgegenstand waren philosophische Texte, die während des Nationalsozialismus in Deutschland entstanden sind. Ergebnisse aus diesem Projekt wurde unter anderem in dem Quellenband Vermeintliche Gründe. Ethik und Ethiken im Nationalsozialismus (2020) publiziert.
Von Oktober 2018 bis Dezember 2021 war ich wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Weber-Kolleg an der Universität Erfurt und bin dort weiterhin assoziierter Kollegiat. Im Rahmen des Projekts „Resonante Selbst-Weltbeziehungen in antiken und modernen sozio-religiösen Praktiken“ habe ich bei Hartmut Rosa und Stephan Moebius meine Dissertaton zu Moralbegründung begonnen, die unter dem Titel „Widerspruch als Lebensform“ kurz vor ihrem Abschluss steht.
Neben dem Verhältnis von Nationalsozialismus, Philosophie und Moral beschäftige ich mich leidenschaftlich mit der kritischen Theorie und der Philosophie Ludwig Wittgensteins, vor allem in Bezug auf die Sprache und der Kritik des Idealismus. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage danach, was Philosophie (heute) überhaupt ist und was Philosoph:innen tun, tun können oder besser lassen. Eine Überzeugung, die mein akademisches und außer-akademisches Engagement leitet, lautet, dass Philosophieren vor allem eine Tätigkeit ist, der gemeinsam mit anderen nachgegangen wird und die nicht an vermeintliche Expert:innen delegiert werden kann.
Projekt am FIPH
»Der Nationalsozialismus und die deutsche Philosophie nach 1945«
In nahezu allen philosophischen Wörterbüchern gibt es keine Einträge „Nationalsozialismus“, „Auschwitz“, oder „Holocaust“. Zwar gibt es Debatten und Untersuchungen zu einzelnen Philosophen (allen voran Martin Heidegger), zur Geschichte philosophischer Institute und durchaus auch allgemeine Analysen der Philosophie des Nazismus – und selbst kritische Interventionen in den Philosophiebetrieb. Es muss aber festgestellt werden, dass die ausdrückliche Reflexion auf den Nazismus keinen festen Platz in der philosophischen Lehre und Forschung hat. Die akademische Philosophie in Deutschland scheint nur ein marginales Interesse daran zu haben, ihre eigene Beteiligung am Nazismus und seinen Verbrechen aufzuarbeiten; wenn sie diese nicht geradeheraus abstreitet.
In meinem Post-Doc-Projekt möchte ich die Thematisierung und das Fortwirken nationalsozialistischen Denkens in der deutschen Nachkriegsphilosophie untersuchen. Der Schwerpunkt liegt dabei auf den Weichenstellungen der unmittelbaren Nachkriegszeit einerseits, und der Diskursethik Jürgen Habermas andererseits. Diese Auswahl kommt dadurch zu Stande, dass die Diskursethik wohl als der philosophische „Exportschlager“ der Bundesrepublik gelten darf. Habermas und sein Werk stehen für ein neues (West-)Deutschland. Habermas hat den Nationalsozialismus selbst erlebt, sich nach Krieg kritisch mit dem Fortwirken nationalsozialistischer Autoren beschäftigt und selbst angedeutet, dass seine Theorien vor allem aus der Erfahrung des NS und des Umgangs der Nachkriegsgesellschaft mit diesem heraus motiviert ist. Letzterer ist vor allem durch Schweigen charakterisiert, ein Schweigen, das sich bis heute fortsetzt.
Das Projekt wird einerseits historisch sichten, was es an frühen Thematisierungen gegeben hat und andererseits philosophisch beurteilen, ob diese Thematisierungen angesichts des philosophischen Denkens im Nationalsozialismus, angemessen waren. Die Leitthese ist dabei, dass sich im postnationalsozialistischen Deutschland gleichermaßen ein Zerrbild des Nationalsozialismus als auch der Philosophie etabliert hat.