Dr. Bogdan Olaru

Stipendiat von Oktober 2004 bis Mai 2005 und Oktober 2005 bis Dezember 2005

Bogdan Olaru hat Philosophie an der Alexandru-Ioan-Cuza-Universität Jassy (Rumänien) und an der Humboldt-Universität zu Berlin studiert und 2002 mit der Arbeit „Die Phänomenologie und der Leitgedanke einer strengen Wissenschaft. Das Problem phänomenologischer Begründung der Wissenschaften” promoviert. Zu seinen Interessensgebieten zählen: Phänomenologie, Moralphilosophie, Ethik und Meta-Ethik des 20. Jahrhunderts. Er ist im Forschungsinstitut für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Rumänische Akademie, Jassy, tätig, und arbeitete von Oktober 2004 bis Mai 2005 und von Oktober bis Dezember 2005 als Stipendiat des Forschungsinstituts für Philosophie Hannover.

Projekt am fiph

"Die Technisierung unseres Alltags. Eine Analyse der Akzeptanzformen für den Einsatz neuer Technologien mit Schwerpunkt auf der Biotechnologie"

Die Technisierung der modernen Gesellschaft ist zwar eine Tatsache, die kaum bestritten werden kann. Bei der heutigen Provokation durch die Bio- und insbesondere durch die Gentechnologie handelt es sich aber darum, das Ineinander, die Verflechtung von Technik und Leben besser zu verstehen. Die philosophische Reflexion ist mit der Aufgabe konfrontiert, den Prozess der Technisierung auf einer weiteren inneren Stufe zu bedenken, die das Leben als biologischer Prozess betrifft. Wenn wir den klassischen Gegensatz zwischen der gewaltigen Natur und dem Willen des Menschen, der die Beherrschung der Natur anstrebt, als unangemessen und einseitig hinter uns lassen, tauchen immer öfter Ausdrücke wie „Integration von Formen der Wissenschaftlichkeit in die Lebenswelt“ und „Verwissenschaftlichung und Technisierung unseres Alltags“ auf. Gemeint ist damit, dass die Alltagspraxis in einem so hohen Maße von Wissenschaft und Technik geprägt ist, dass der Unterschied fast verschwindet oder zumindest den Anlass zu einem neuen Verstehen des Verhältnisses bietet.

Dieses Phänomen lässt sich zumindest in zwei Dimensionen beobachten: 1. als ein Prozess des Raffinierterwerdens der technischen Erfindungen, was uns eine wachsende Zugänglichkeit zur Natur und den Lebensbedingungen liefert; 2. als eine wesentliche unvermeidliche Abhängigkeit des Lebens selbst von den technischen Entwicklungen. Kurzum, die technischen Entwicklungen tragen zu jenem Kontext der Sinngebung bei, der eine unbefragte Grundlage der Praxis abgibt, und der traditionell als lebensweltlich gilt. Weil sie so eng an die Lebenswelt gebunden ist, das Leben sogar gestaltet, ist die Technik zu einer eigenen Lebensform geworden.

Was uns heute an der Biotechnologie erschreckt, ist die Tatsache, dass eine solche Integration von Technizität und Lebenswelt bis zu der Ebene des menschlichen Daseins selbst durchdringt, bis zu dem bis jetzt untastbaren Kern des menschlichen Wesens. Wir haben begonnen, das menschliche Wesen technisch zu behandeln. Nicht in dem Sinne, dass wir es schon modellieren und beliebig gestalten, dieses Wesen gilt aber immer mehr als etwas, das uns technisch „verfügbar“ ist. Mit dem Einsatz einer Biotechnologie des Menschen finden wir uns auf einem Höhepunkt des Technisierungsprozesses unseres Alltags wieder.

Ziel meiner Forschung ist, die Akzeptanzformen für den Einsatz der Biotechnologien, insbesondere der Gentechnologie, sowie die Entstehung und Vermittlung der Kritik- und Widerstandsformen zu analysieren. Gesucht ist ein sozialethisches Verständnis des aktuellen Impacts der Biotechnologie auf der Ebene des Alltagslebens mit Berücksichtigung aktueller Umstände in meinem Land (Rumänien). Vorschriften zu finden oder die Gesetzgebung an sich zu analysieren, macht in meiner Untersuchung direkt kein Thema aus, es geht in ihr nur um diejenigen Argumente, Weltanschauungen, Vermittlungsfaktoren und Disseminationsmittel, die auf der Bühne der öffentlichen Debatte um die Biotechnologie auftreten und die Kraft besitzen, die Alltagspraxis und die Lebensgewohnheiten zu bestimmen. Kurzgefasst ausgedrückt: Es interessiert uns, wie man Meinungen bildet und wie sie zum soziokulturellen Erbgut werden.

Die Argumentation wird sich in drei Richtungen entwickeln: 1. Ich werde zeigen, inwiefern die Einführung und die Anwendung technischer Verfahren im Alltagsleben von soziokulturellen Faktoren wie kommerziellen Interessen, primären Bedürfnissen und ethischen Imperativen abhängen. Viele von diesen Faktoren sind variabel und bilden das Thema einer ständigen Debatte. 2. Von großem Interesse für mein Thema ist der Raum dieser Debatte. Es gibt sowohl eine institutionalisierte Form (Massenmedien, Gremien, Kommissionen) als auch ein informelles Milieu (Familie, Tradition, Gemeinschaft), die Ideen und Bilder über die Biotechnologien vermitteln. 3. Den Hintergrund der Debatte, der Entstehung und Vermittlung der Akzeptanz- und Widerstandsformen gegenüber der Biotechnologie bildet ein Kreis von Werten und Idealen, moralischen Imperativen, Glauben und Vertrauen, Wünschen und Streben. Sie alle bestimmen unser Alltagsleben. Weil die Alltagspraxis so tief von Wissenschaft und Technizität geprägt ist, taucht die provozierende Frage auf, inwiefern dieses noetische Reich mit den neuen Transformationen kommuniziert.

Wenn die Untersuchung diesen drei Dimensionen folgt, öffnet sie den Weg zum Nachdenken und zur Neubestimmung des Alltagslebens vom Gesichtspunkt seiner fortschreitenden Technisierung aus. In einer Aufwärtsbewegung werden so behandelt: 1. Veränderungen im Handeln und in der Praxis (wir machen heute Sachen, die wir früher nicht ahnten). 2. Veränderungen auf der symbolischen Ebene (wir bauen den symbolischen Raum mittels neuer Bilder, Metaphern und Motive). 3. Veränderungen in unserem Verhalten (wir beginnen, uns anders zu verhalten gegenüber den heute direkt erfahrbaren Dingen, wie genmanipulierten Produkten und Organismen).