Dominik Hammer M.A.

Stipendiat von Dezember 2015 bis Juli 2016

Politikwissenschaft, so stellte Ernst Fraenkel einst fest, müsse „nicht nur eine Sozial-, sondern auch eine Moralwissenschaft“ sein. Politikwissenschaftler zu sein bedeutet für mich deshalb, das Spannungsfeld zwischen Empirie und Normativität nicht einseitig aufzulösen, sondern stattdessen im Bewusstsein dieser Spannung zu arbeiten und das Verhältnis dieser beiden Pole zueinander genauer zu betrachten. Hierbei und bei der genaueren Betrachtung der großen Gegensatzpaare der Politik (z.B. Herrscher und Beherrschte, Regierung und Opposition, demokratisch und undemokratisch) hilft mir der Rückgriff auf die politische und die Rechtsphilosophie. Der Schwerpunkt meines wissenschaftlichen Interesses und meiner wissenschaftlichen Arbeit liegt an der Schnittstelle zwischen politischer Theorie und politischer Systemlehre. Mich interessiert, wie Ideen in politischen und gesellschaftlichen Systemen entstehen, wie sie sich in diesen entwickeln, und wie sie auf diese Systeme zurückwirken. Besonders interessieren mich deutschsprachige und US-Amerikanische Demokratietheorien (und -Praxen), Vertragstheorien, Gemeinwohlkonzepte, sowie liberale und illiberale Ideen und ihr Verhältnis zueinander.

Ich habe Politikwissenschaft an der Universität Passau (Abschluss BA Staatswissenschaften – Governance and Public Policy, 2010) und an der Technischen Universität Dresden (MA Politik und Verfassung, 2012) studiert. Von 2012 bis 2015 war ich wissenschaftlicher Mitarbeiter am Forschungsinstitut für Philosophie Hannover.

Projekt am Forschungsinstitut für Philosophie Hannover

Eugenik und Verfassungsgerichtsbarkeit

Lange bevor die Diskussion um liberale Eugenik in Form der Analyseverfahren PND und PID sich entfaltete, war die Praxis räumlicher Segregation und erzwungener Sterilisation von Menschen, deren Erbgut als minderwertig galt, politisches Programm in vielen als liberal-demokratisch geltenden Staaten. Während eugenische Zwangssterilisationen in demokratischen Staaten mittlerweile nur noch vereinzelt durchgeführt werden, wirft die lange Periode der Legalität solcher Verfahren Fragen auf, die liberal-demokratische Staatlichkeit und die ihr zugrunde liegenden Ideen und Werte selbst betreffen. Denn erzwungene medizinische Eingriffe und die gesellschaftliche Kontrolle über die individuelle Fortpflanzung von Menschen scheinen zutiefst illiberal, waren aber trotzdem über längere Zeit gängige Praxis in liberalen Staaten. Und auch die liberale Eugenik wirft Fragen auf, etwa, inwieweit es als liberal gelten kann, gezielt in den genetischen Aufbau künftiger Personen einzugreifen.

Um dies zu klären, wird im Projekt zuerst Entstehung und Entwicklung der Eugenik betrachtet, um systematisch herauszustellen, welche Faktoren zu ihrem Erfolg beigetragen haben und wie eugenische Maßnahmen auch im Hinblick auf ihr Verhältnis zu Demokratie und Liberalismus dargestellt wurden. Anschließend wird durch eine Inhaltsanalyse von Verfassungsgerichtsurteilen, konkreten Urteilen des Bundesverfassungsgerichts und des US-amerikanischen Supreme Court, überprüft, wie diejenigen Institutionen, die politische Programme an der Verfassung eines Landes messen, die Verfassungsmäßigkeit von Eugenik beurteilt haben. Durch die Betrachtung der Verfassungsgerichte als Akteure sollen genauere Aussagen über das Verhältnis eugenischer Programme zu Grundrechten und Grundideen in liberal-demokratischen Staaten ermöglicht werden. Die Ergebnisse der Arbeit sollen nicht nur zum besseren Verständnis der Erfolgsfaktoren eugenischer Ideen beitragen, sondern generell zu einem besseren Verständnis des Verhältnisses von Liberalismus und illiberal scheinenden Ideen.