Fellow von September 2025 bis August 2027
Zur Person
Meine Forschung bewegt sich an der Schnittstelle zwischen überwiegend deutsch- und französischsprachigen Philosophietraditionen (Kants Transzendentalismus, Phänomenologie, Poststrukturalismus), wobei der Status des Subjekts im Austausch mit seiner Umwelt eine zentrale Rolle spielt. Wichtige theoretische Bezugspunkte meiner Arbeit sind die Schriften von Deleuze und Guattari, die auf die Prozessualität von Subjektivität verwiesen haben: An die Stelle eines selbst-identischen Subjekts setzen sie Subjektivierungs- und Begehrensprozesse in kollektiven semiotischen und technischen Gefügen. In den letzten Jahren habe ich mich verstärkt mit der Individuationstheorie von Gilbert Simondon beschäftigt, welche Individuen nicht als isolierte Entitäten, sondern als relationale Realität in metastabilen Systemen versteht. Dabei bin ich besonders an der Verflechtung von ökologischen und evolutionären Zusammenhängen interessiert, deren begriffliche Erschließung zu einem verbesserten Verständnis unserer Situiertheit in der Welt beitragen kann.
Ich habe Philosophie, Germanistik und Kunstgeschichte an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und der Freien Universität Berlin studiert und mit einem Thema zu den transzendentalen Bedingungen des Denkens bei Gilles Deleuze promoviert. Ich war wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Hildesheim (2015/16, 2018–2024) und hatte diverse Fellowships an der Deakin University, Melbourne (2016–2018), der University of New South Wales, Sydney (2009–2010), der Université de Sorbonne, Paris IV (2006–2007) und der Oxford University (2002–2003).
Das Projekt am FIPH
Ökologie und Evolution: Gilbert Simondons Individuationsphilosophie
Mein Projekt ist eine kritische Auseinandersetzung und Erweiterung der Individuationsphilosophie Simondons, wonach sich Individuen durch physiologische, affektive, kognitive und technisch-kulturelle Operationen in Auseinandersetzung mit ihrem Milieu konstituieren. Mit Rekurs auf neuere wissenschaftliche Kenntnisse sowie im Dialog mit Denkern, die Simondon inspirierten bzw. sich weiterführend auf dessen Philosophie bezogen, widmet sich das Projekt den folgenden Problemstellungen:
(1) Zur Verschränkung von Ökologie und Evolution. – Simondon bindet biologische Individuation nicht nur an morphologisch-strukturale, sondern vor allem funktionale Aspekte – ein Ansatz, der es ihm erlaubt, kollektive biologische Individuen oder „Superorganismen“ anzuerkennen. Der Begriff der Information ist dabei zentral für die Funktionalität lebender Systeme. Jedoch erst in den frühen 1970er Jahre nimmt er die Neuerungen der Molekulargenetik zur Kenntnis. Es bedarf daher einer Erweiterung seines relationalen und ökologischen Denkens um eine vertikale Perspektive der Evolution.
(2) Zur politischen Ökologie technischer „Evolution“. – Überraschenderweise bringt Simondon eine evolutionäre Perspektive in Bezug auf Entwicklungslinien technischer Objekte ins Spiel. Er konzipiert eine immanente, autonome Entwicklungslogik, welche der zunehmenden Konkretisierung technischer Objekte inhärieren soll. Hier ist es jedoch unerlässlich, technische Individuation in einen kontingenten, politisch-geschichtlichen und ökonomischen Kontext einzubetten.
In meinem Projekt möchte ich eine zeitgenössische Philosophie der Individuation entwickeln, die Simondons Individuationsbegriff mit Blick auf unsere derzeitigen Herausforderungen (die Bedingungen einer digitalen gesellschaftlichen Transformation und eines prekären ökosystemischen, klimatischen Wandels) sowie gegenwärtige Debatten in der Philosophie der Biologie, Ökologie und Evolutionstheorie aktualisiert.
