Juliette Monvoisin M.A.

Fellow von Oktober 2023
bis Juli 2024

Zur Person

Ich bin Doktorandin an der Universität Paris 1 Panthéon-Sorbonne und Mitglied des französischen Collaborative Institute on Migration (CIM). Ich war früher Gaststudentin am Marc Bloch Zentrum in Berlin (2018-2019), Lehrkraft und wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Paris 1 (2019-2022) und Forschungsstipendiatin der Stiftung des Abgeordnetenhauses Berlin (2022-2023). Ich bin Mitbegründerin des Forschungskollektivs „Philomigr“ und Koordinatorin des gleichnamigen Projekts am CIM, dessen Ziel es ist, eine Anthologie philosophischer Grundlagentexte zu Migrationsphänomenen zusammenzustellen und ins Französische zu übersetzen.

Ich habe in Paris (Lycée Henri IV), Lyon (Ecole Normale Supérieure de Lyon) und Utrecht (Utrecht Universiteit) Literatur und Philosophie studiert und habe während meines Masterstudiums ein wachsendes Interesse an politischer Philosophie entwickelt. In diesem Zusammenhang habe ich mich sowohl in der Theorie (Masterarbeit über Jürgen Habermas‘ deliberative Demokratie) als auch in der Praxis (Praktikum in der politischen Kanzlerei der französischen Botschaft in Deutschland, soziale Arbeit mit Exilant:innen) mit sozialer Gerechtigkeit beschäftigt. Die Feststellung, dass auf nationale Grenzen beschränkte Theorien zur Beleuchtung sozialer Fragen nicht ausreichen konnten, hat mich zur Philosophie der Migration zugeführt. Ausgehend von John Rawls Theory of Justice und seinen kosmopolitischen Kritiken habe ich angefangen, zu Gerechtigkeit an den Grenzen und staatlichen Verpflichtungen gegenüber Migrant:innen zu arbeiten.

Das Projekt am fiph

Die besonderen staatlichen Verpflichtungen gegenüber Nichtmitgliedern der politischen Gemeinschaft“

Ausgehend von einer normativen philosophischen Perspektive auf Migrationsphänomene versuche ich, eine Theorie der Migrationsgerechtigkeit zu entwickeln, die auf den besonderen Verpflichtungen des Staates gegenüber bestimmten Gruppen von Nichtmitgliedern beruht. Diese besonderen Verpflichtungen werden auf Grundlage vergangener Ereignisse oder anhaltender Beziehungen definiert, wie z. B. ein von einem Staat begangenes Unrecht, ein erhaltener oder erpresster Vorteil oder ein radikales Abhängigkeitsverhältnis, das zu einem Ungleichgewicht zwischen einem Staat und bestimmten Personen, die keine Staatsbürger sind, geführt hat. Ich vertrete die Ansicht, dass diese Verpflichtungen, sobald sie als legitim anerkannt werden, das Recht auf Einreise oder weitergehenden Schutz begründen.

Dieses Promotionsvorhaben wirft eine Reihe von Fragen auf: Erstens, ist es gerechtfertigt, die nationale Ebene zu wählen, um über Verpflichtungen nachzudenken? Diese Frage stellt sich insbesondere vor dem Hintergrund der Globalisierung, in der der Staat einen Teil seiner Souveränität über sein Territorium aufgegeben zu haben scheint, indem er sie nach oben an internationale Organisationen, nach unten durch Dezentralisierung an subnationale Einheiten und seitlich durch Privatisierung und Deregulierung an den Markt überträgt.

Zweitens, wie lassen sich staatliche Verpflichtungen denken? Dies sieht wie ein Widerspruch aus, Staaten Verpflichtungen zuzuschreiben, obwohl traditionell nur freien Akteuren mit einem moralischen Bewusstsein Verpflichtungen zugeschrieben werden (vgl. Kant).

Ich zeige, dass die Staatsverpflichtung der Prozess der Individualisierung des Staates ist, durch den der Staat öffentlich eine bestimmte deontische Beziehung gegenüber einem anderen Akteur herstellt, indem er mit diesem in Kontakt tritt. Hierbei identifiziere ich fünf Kriterien, die entweder geeignet oder ungeeignet sind, die Gerechtigkeitsverpflichtungen von Staaten gegenüber Nichtmitgliedern zu begründen: 1. Die Präsenz im Territorium. 2. Die Verletzlichkeit (die radikale und willkürliche Abhängigkeit von den Behörden). 3. Der Schaden (die Tatsache, dass ein Staat die Notlage von Menschen verursacht hat, die dadurch gezwungen sind, aus ihrem Land zu fliehen). 4. Der erhaltene Vorteil (das Ausmaß, in dem ein Staat vom Handeln eines Nichtmitglieds profitiert). 5. Die kulturelle Zugehörigkeit (betrachtet als ein primäres Gut und eine für die Autonomie notwendige Ressource).