Cedric Braun M.A.

Fellow von Oktober 2024
bis Juli 2025

 

Zur Person:

Ich bin in der Peripherie Stuttgarts aufgewachsen und habe meine Abschlüsse (BA und MA) in Philosophie an der Universität Stuttgart erworben. Seit 2019 bin ich im Doktoratsprogramm „Organisation und Kultur (DOK)“ an der Universität St. Gallen, Schweiz, eingeschrieben. Von September 2022 bis Februar 2023 war ich im Rahmen eines Fulbright-Stipendiums Gastwissenschaftler an der Columbia University. Ich interessiere mich für Ethik und Sozialphilosophie, womit ich mich schwerpunktmäßig beschäftige. Insbesondere finde ich die Schnittstelle der Disziplinen spannend, was besonders in Hegels Nachfolge thematisiert wurde. Sozialphilosophie und die intelligente Gestaltung der sozialen Welt, in der wir leben, hängen schließlich wesentlich von ethischer Theoriebildung ab. Historisch habe ich viel zu John Dewey gearbeitet und beschäftige mich in jüngster Zeit auch akademisch mit Erich Fromm. Nach meinem Doktorat zu einer pragmatistischen Philosophie sozialen Wachstums möchte ich mich zunehmend dem Begriff des Charakters und tugendtheoretischen Überlegungen zuwenden. 

Das Projekt am FIPH

In meinem Projekt möchte ich den Grundstein für eine Habilitationsschrift mit dem Arbeitstitel „Eine holistisch-interaktionistische Charaktertheorie und die Einheit der Tugenden“ legen. In dieser soll es um den Begriff des Charakters in einer philosophisch-ethischen sowie interdisziplinären, insbesondere psychologischen und sozialwissenschaftlichen, Perspektive gehen. Es soll eine zeitgemäße philosophische Charaktertheorie entwickelt werden. Zu einer solchen muss gehören, Entwicklungen in den relevanten Wissenschaften angemessen zu berücksichtigen. Zudem wird der pragmatistischen Grundüberzeugung gefolgt, dass eine philosophische Theorie, um für das gesellschaftliche und individuelle Leben relevant zu bleiben, responsiv gegenüber akuten, von unseren heutigen Lebensweisen hervorgebrachten Problemlagen sein sollte. 

Der Charakterbegriff im Sinne einer allgemeinen Organisation der Persönlichkeit wird heute weniger erforscht, nicht zuletzt wegen der unterschiedlichen Ausrichtung der modernen Persönlichkeitsforschung und des in vielen Aspekten noch zaghaften Wiederauflebens der Tugendethik. Das zeigt sich exemplarisch etwa an aktuellen Forschungsartikeln, die den Charakterbegriff primär aus der klassischen Philosophiegeschichte zu erschließen versuchen. Wichtige Bezugspunkte gibt es dennoch, und zwar zu verschiedenen Forschungsfeldern. Zu nennen sind die Geschichte der klinischen Psychologie sowie die tugendethische Tradition bis heute, weiterhin sozialphilosophische und -wissenschaftliche Abhandlungen zum Habitus-Begriff und verwandten Begriffen. 

Unter Anknüpfung an Autoren wie Erich Fromm, John Dewey und andere wird ‚Charakter‘ verstanden als der Modus des Bezogenseins eines Individuums auf seine Mitmenschen, die Natur, Dinge und sich selbst. Die ethische Qualität des Charakters ist entsprechend im Sinne einer gelingenden bzw. misslingenden Bezogenheit in diesen Dimensionen zu fassen. Diese Bestimmung ist nahe an derjenigen Fromms, dessen Ansatz ich jedoch nur als eine von mehreren wichtigen Quellen diskutiere. 

Ausgehend von diesen provisorischen Überlegungen möchte ich untersuchen, wie man zunächst einen zeitgemäßen Charakterbegriff bestimmen kann, um dann mit Blick auf die bereits genannten Bezugspunkte ethisch-politische sowie sozialmelioristische Themen aus dieser Sicht anzugehen.