Mareike Kajewski M.A.

Fellow von Oktober 2016 bis Juli 2017

Philosophie ist für mich die Wissenschaft des Fragens und Suchens nach Deutungen für und über den Menschen. Sie ist für mich ein Schlüssel, um den Menschen, sein Denken und Handeln in allen Facetten zu verstehen. Für mich wurde schnell klar, dass dieses Interesse an den Grundbedingungen menschlichen Zusammenlebens bei mir eine gesellschaftskritische Absicht beinhaltet. Das philosophische Forschen ermöglicht mir, einen kritischen Standpunkt auf das Zusammenleben zu werfen, um eine sinnvolle Kritik an der Gegenwart und den gesellschaftlichen Verhältnissen zu leisten.

Ich habe Philosophie, Politikwissenschaft und Germanistik an der Albertus-Magnus Universität in Köln und an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main studiert. 2010 habe ich mein Studium mit einer Arbeit zu Hannah Arendts politischer Philosophie abgeschlossen. Von 2013 bis 2016 wurde ich durch ein Promotionsstipendium der Heinrich-Böll-Stiftung gefördert. Zwei Auslandsaufenthalte haben mich an die Universiteit van Amsterdam und an die Sorbonne Paris I – Panthéon geführt. Neben der politischen Philosophie und Theorie habe ich meine Themenschwerpunkte in der Ethik, der Sozialphilosophie, der Kritischen Theorie, der Ästhetik, der Französischen Philosophie (Poststrukturalismus) und der Feministischen Theorie.

Am fiph werde ich zum einen mein Dissertationsprojekt fertigstellen, zum anderen möchte ich mit den Arbeiten an meinem Folgeprojekt mit dem Thema ‚Kritik der ethischen Gefühle‘ beginnen.

Projekt am fiph

Widersprüche revolutionären Handelns

Die Fragestellung meines Promotionsprojekts lautet, ob und wie es möglich ist, durch einen revolutionären Handlungsakt eine politische Ordnung zu gründen. Der erste Verdacht gegen eine solche Möglichkeit äußert sich in einem Widerspruch, der in der Form revolutionären Handelns liegt. In dem gleichen revolutionären Handeln, welches die Befreiung von einer despotischen Ordnung oder einem ungerechten Zustand hervorruft und versucht eine neue – demokratische – Ordnung zu gründen, kommt auch die Seite des Handelns zu Tage, die das revolutionäre Handeln und seine selbstgeschaffenen Bedingungen wieder zerstört. Das Problem der Unabsehbarkeit des Handelns (Hannah Arendt) wird in Momenten revolutionären Handelns – in Befreiungen und Gründungen – besonders virulent. Dennoch sind revolutionäre Situationen nur der extremste Fall; sie weisen auf eine fundamentale Offenheit und Fragilität jeden politischen Handelns hin. Versuch und Experiment sollten zentrale Erfahrungen politischen Handelns sein, weil sich nur durch die ständige Möglichkeit der Erneuerung, der Infragestellung und des Scheiterns eine demokratische Grundlage für gemeinsames politisches Handeln realisiert. Aber wie soll in institutionellen Gefügen, in Parlamenten, Parteien, Think Tanks, Befreiungs- und Protestbewegungen die Unabsehbarkeit des Handelns in die politischen Prozesse einbezogen werden und was wäre der Gewinn für politisches Handeln? Der Verdacht gegen die Einbeziehung der grundsätzlichen Unabsehbarkeit ist, dass das revolutionäre und destruierende Potential einer solchen sich gerade gegen die Stabilität und Sicherheit richtet, die für eine verbindliche und verlässliche demokratische Kultur notwendig sind.

Meine Arbeit verfolgt das Ziel zu zeigen, dass die Widersprüche und Unabsehbarkeit revolutionären Handelns einen paradigmatischen Zug jeden politischen Handelns in seiner übertriebensten und auf den extremsten Umschlagpunkt gesteigerten Form entdecken. Der Annahme Arendts, dass Gesetze, Regeln und feste Maßstäbe, die unveränderbar sind, politisches Handeln auf Dauer unmöglich werden lassen, soll durch den Fokus auf die ‚Turning Moments‘ im revolutionären Handeln Rechnung getragen werden. Eine demokratische Freiheit erhält sich nur, wenn politisches Handeln in Beziehung zu der Freiheit individuellen und kollektiven Handelns jenseits von etablierten Normativitäten bleibt.